Regenbogenbrücke

Jessy

Katze Jessy – zu kurz war ihre Zeit bei uns

Der Himmel hat einen neuen Stern

Meine liebe Jessy,

an einem Samstagnachmittag klingelte wie so oft das Notruftelefon. Deine Besitzer waren dran und sie waren ziemlich aufgelöst und wollten einen Rat, du würdest so komisch krampfen und schreien und sie haben mich gefragt, was sie tun sollten. Also, was sollte man tun, wenn ein Tier anscheinend krank ist? Einpacken und ab zum nächsten Tierarzt. Natürlich an einem Samstagnachmittag schon ein etwas größeres Problem. Leider hatten deine Besitzer noch nicht mal eine Transportbox, geschweige denn ein Auto oder auch nur Geld, um Deine Behandlung beim Tierarzt oder in der Tierklinik bezahlen zu können!

Also habe ich unsere Tierärztin informiert, die freundlicherweise sofort in die Praxis kam und mir Notfallmedikamente mitgab. Danach fuhr ich zu Deinen Besitzern, um Dir erstmal zu helfen und mir ein Bild von der Situation zu machen! Nach langem Reden mit Deinen Besitzern erfuhr ich, dass Du ca. 2,5 Jahre alt bist, eine Second-Hand-Katze, noch niemals in Deinem Leben einen Tierarzt gesehen hast und dementsprechend sonst keinerlei Informationen über Dich vorliegen. Lange Rede, kurzer Sinn, ich konnte Deine Besitzer davon überzeugen, dass es das Beste für Dich wäre, wenn sie dich an den Verein abtreten würden, damit wir Dich eingehend untersuchen lassen konnten und dir die bestmöglichste Behandlung ermöglichen konnten.

So kamst Du zu mir. Du warst ziemlich durch den Wind und hast die ersten Tage ziemlich teilnahmslos auf deinem Kratzbaum gesessen, wenigstens hast du ordentlich gefuttert und hast das Klo benutzt, auch wenn Du dies nur heimlich getan hast. Ein paar Tage später wollte ich Dich dann zu unserer Tierärztin bringen, Du solltest kastriert und gechipt werden, eine Blutuntersuchung sollte auch direkt gemacht werden, allerdings hast Du dich mit allen vier Pfoten dagegen gewehrt, in diese blöde Transportbox einzusteigen. Du hast in der Zwischenzeit Deine ganze Persönlichkeit verändert. Du hast nicht mehr teilnahmslos auf dem Kratzbaum gesessen, sondern hast uns Menschen nur noch als großen Feind gesehen! Egal, wer versucht hat, Dich in die Box zu bekommen oder auch nur ansatzweise zu streicheln, Du hast alles auseinandergenommen, was Dir in die Quere kam. Wenn Du nur ansatzweise Geräusche einer anderen Katze Deiner Pflegestelle gehört hast, hast Du die halbe Zimmertüre auseinandergenommen und wurdest hochgradig aggressiv! Was war nur los mit Dir?

Nach drei Wochen ist es uns dann gelungen, Dich endlich in die Box zu bekommen. Also ab zum Tierarzt. Als ich Dich nach der Kastration abgeholt habe, warst Du wie ausgewechselt. Von eine Sekunde auf die nächste warst Du die liebste und verschmusteste Katze, die ich jemals gesehen habe. Ich habe mich tierisch gefreut und angefangen, nach einer Familie für Dich zu suchen. Deine Blutergebnisse waren top, alle Infektionskrankheiten negativ getestet. Die Tierärztin meinte, Deine vorherige Aggressivität könnte aufgrund einer Dauerrolligkeit entstanden sein. Gut, das Thema war ja nun ausgestanden.

Also habe ich Dich in unsere beste Pflegestelle gebracht, hier hattest Du ganz liebe Menschen, die wesentlich mehr Zeit für Dich hatten, wo Du nach Herzenslust mit den Dosenöffnern durch die Wohnung toben konntest und kuscheln, kuscheln, kuscheln. Allerdings fing hier nach zwei Wochen der erste Krampfanfall wieder an. Von einer Sekunde auf die andere wurdest Du wieder hochgradig aggressiv, ohne dass irgendwas passiert war. Deine Pflegestelle war nicht sicher vor Dir, du hast geknurrt und gefaucht und alles attackiert, was Dir im Weg stand. Was war nur los mit Dir???? Dieser Anfall dauerte fast 36 Stunden, danach warst Du wieder „ganz die Alte“. Allerdings kamen diese „Anfälle“ jetzt in immer kürzeren Abständen! Nach Rücksprachen mit verschiedenen Tierärzten und –kliniken haben wir für Dich einen Termin zum MRT in einer Klinik gemacht. Dort warst Du vergangenen Freitag! Als der behandelnde Tierarzt mich abends anrief, war ich noch halbwegs optimistisch. Die Diagnose ergab entweder eine Entzündung im Gehirn oder aber ein Gehirntumor, den der Arzt zu diesem Zeitpunkt nicht ausschließen konnte. Wir haben sofort angefangen, Dich mit Antibiose und Schmerzmitteln zu behandeln.

Du warst wieder ganz normal, hast gefressen und geschmust und gekuschelt. Sonntagnachmittag klingelte dann erneut unser Notruftelefon. Unsere Pflegestelle war ganz auflöst, Jessy flippe wieder vollkommen aus und die Pflegeeltern haben sich aus Angst vor Dir in verschiedenen Zimmern eingeschlossen. Was tun? Hier war jetzt guter Rat teuer! Also ein paar Kollegen zusammengetrommelt und in die Pflegestelle gefahren. Hier haben wir Dich relativ schnell einfangen können und sind sofort wieder in die Tierklinik gefahren. Nach diversen Untersuchungen hat die Tierärztin dann festgestellt, dass Du seit Freitag vollkommen erblindet bist! Nun war die Diagnose endgültig klar! Gehirntumor!

Meine liebe Jessy, wir haben uns Dir zuliebe für eine schnelle Euthanasie entschieden, Du solltest nicht länger leiden. Was musst Du für Schmerzen ertragen haben, um so aggressiv geworden zu sein? Ich kann es mir gar nicht vorstellen.

Jetzt musst Du keine Schmerzen mehr ertragen und kannst hinter der Regenbogenbrücke mit Deinen Artgenossen spielen und toben und nach Herzenslust kuscheln, Du bist nur 2,5 Jahre alt geworden. Mach´s gut kleine Jessy, wir werden Dich nicht vergessen!