Der Himmel hat einen neuen Stern
nicht einmal ein Jahr, nachdem dein langjähriger Gefährte Rambo uns verlassen hat, bist auch du über die Regenbogenbrücke gegangen. Beim Einzug zu Weihnachten 2013 warst du schon fast 16 Jahre alt, Rambo ein Jahr jünger. So süß und lieb ihr wart, es ist nicht so einfach für zwei so alte (und in Rambos Fall auch kranke) Tiere, ein neues Zuhause auf Lebenszeit zu finden, nachdem euer früherer Halter gestorben war.
Schon bei unserer ersten Begegnung hast du dich von mir auf den Arm nehmen lassen und mich freundlich begrüßt. Eingelebt hast du dich schnell, und in den ersten paar Tagen habt ihr beide viel geschlafen. Das neue Zuhause kennen zu lernen und vor allem in jedem Winkel der Schränke zu stöbern war ja auch anstrengend und aufregend. Aber schon bald hast du klargemacht, dass du morgens erst mal gestreichelt und beschmust werden wolltest, bevor es Leckerchen gab. Wehe, ich hatte das vergessen – du bist mir dann lautstark maulend bis zur Toilette gefolgt und hast nicht eher Ruhe gegeben, bis du ordentlich geknuddelt wurdest.
Danach war es im Wohnzimmer Zeit für deine heiß geliebten Knuspertaschen und Knabberstangen. Und meistens ging es schon etwa eine Stunde später wieder ins Bett oder zu einem anderen gemütlichen Fleckchen. Weiche Unterlagen gab es reichlich in meiner Wohnung, auch auf der großen Fensterbank, aber wenn im Winter die Heizung an war, hast du dich lieber auf die blanke Fensterbank gelegt, weil du so besser die Wärme spüren konntest. Mit kleinen Unterbrechungen habt ihr oft bis zum späten Nachmittag geschlafen, auch wenn ich zu Hause war.
Dafür ging es dann abends richtig zur Sache. Was ich auch an Spielzeug anbot, du hast fast alles verschmäht oder nur kurz angeschnuppert. Ab und zu ein neues Baldriankissen (je mehr sie stanken, desto lieber mochtest du sie), ein Baumwollband, Papierbälle und deine Federangel – das hat dir genügt. Zwar hast du auch liebend gern mit dem Laserpointer gespielt, den ich erst vor wenigen Wochen gekauft habe, aber am liebsten hast du Kartons und Schachteln untersucht. Das hattest du mit Rambo gemeinsam. Wann immer von deiner „Tante Sandy“ ein liebevoll zusammengestelltes Päckchen für euch ankam, musste ich schnell den Inhalt herausholen, damit ihr beide den Karton genau erkunden konntet. Und wenn er dir gefiel, hast du auch gleich ein Nickerchen darin gemacht.
Mein Bett war dein Lieblingsplatz für so vieles; Pediküre, Sonnen, Schlafen natürlich, Putzen und leider auch für’s Übergeben. Das hast du erledigt, wo immer du auch gerade warst, und bist dabei gern auch gewandert. Mein Verbrauch an Küchenpapier ist mit eurem Einzug rasant angestiegen!
Am liebsten war es dir, abends ins Bett gebracht zu werden, wo du auf einer Decke an meinem Fußende lagst, nachdem du dir deine Streicheleinheiten abgeholt hast. Eigentlich war die kuschelige rote Decke ein Geschenk für mich gewesen, aber du hast sie schnell für dich entdeckt und so gern darauf geschlafen. Tagsüber hast du Plätze bevorzugt, wo du etwas sehen konntest: Vögel oder sich im Wind wiegende Baumkronen im Schlafzimmer, und im Wohnzimmer bot dir die Fensterbank den Blick auf die Küchenfenster des Nachbarhauses und die Straße. Was es da nicht alles zu sehen gab! Oft ging dein Hals ruckartig hin und her, wenn Tauben oder andere Vögel auf dem Terrassengeländer saßen oder sich bis nah ans Fenster wagten.
Wie Rambo hattest auch du deine Marotten, die meisten liebenswert, andere eher anstrengend. Die Tage, an denen du nicht mindestens zweimal pro Nacht lautstark Radau geschlagen hast, konnte man rot im Kalender anstreichen. Wenn du fandest, es ist Spielzeit oder spät genug, um nach draußen zu gehen, hast du es durchzusetzen versucht.
Trockenfutter hat dir erst am besten auf Rambos Futterplatz geschmeckt, obwohl du immer mehrere Schüsseln mit verschiedenen Sorten (Nassfutter hast du nicht angerührt) auf deinem eigenen Tablett hattest. Später fandest du es spannend, dein Futter Stückchen für Stückchen, die ich dir vor die Nase legen musste, auf dem Wohnzimmertisch zu verputzen. Der hat dich sowieso magisch angezogen. Dort steht immer mein Glas Wasser – und wenn ich nicht schnell genug war, hast du daraus getrunken. Die eigene Wasserschüssel war dir viel zu langweilig. Auf dem Tisch hast du gespielt, geschlafen, dich ausgestreckt und gepflegt und dich streicheln und bürsten lassen. Und dort sitzend oder liegend hast du auch Besucher genau in Augenschein genommen, bevor du dich zu ihnen legen wolltest.
Überhaupt warst du von Geschirr angetan. Jeder Teller mit Essensresten wurde abgeleckt, vor allem, wenn sich vorher Pasta Bolognese darauf befunden hatte. Deine Leidenschaft für Knuspriges ging so weit, dass du pures Knäckebrot und Grissinistangen genascht hast, und Fruchtjoghurt sagte dir mehr zu als Wurst und Käse. Und reifer, saftiger Mango und Gurkenscheiben warst du auch nicht abgeneigt. Du warst immer für eine Überraschung gut!
Wie Rambo auch hast du Regenwasser geliebt. Und wehe, es hatte zu lange nicht oder nicht ausreichend geregnet – dann musste ich eure Schüssel draußen mit Leitungswasser füllen und für den besonderen Geschmack noch ein paar Grashalme oder eine Prise Erde hinzufügen, falls der Wind nicht genügend pflanzliches Material hineingeweht hatte. Darin schwimmende kleine Blütenblätter wurden allerdings misstrauisch beäugt, bevor du vorsichtig zum ersten Schluck angesetzt hast.
Wie sehr du mir vertraut hast, konnte ich an deinem Verhalten mir gegenüber nach eher unangenehmen Behandlungen beim Tierarzt merken. Obwohl du wegen einer Augenverletzung einen Kragen tragen musstest und ich dir etwa drei Wochen lang mehrmals täglich Tropfen und Salbe ins Auge geben musste, kamst du jedes Mal nur Minuten später zu mir, um zu schmusen und auf mir zu schlafen. Ich bin sicher, du hast gemerkt, dass ich das nicht getan hatte, um dich zu ärgern, sondern um dir zu helfen. Nicht ein einziges Mal gab es so etwas wie Protestpinkeln, Ignorieren oder Angriffe.
In der letzten Zeit bist du ruhiger geworden und hast abgenommen, aber dein Bedürfnis nach Schmusen, Streicheln und Spielen war unverändert stark. In deinen letzten zwei Tagen hast du dein Verhalten so sehr verändert, dass ich das Schlimmste befürchtete und damit Recht behalten sollte. Du wolltest lieber allein sein, und das, wo du kurz vorher unbedingt in meinem Arm schlafen wolltest, deine Nase keinen Fingerbreit von meinem Gesicht entfernt, mit den eingerollten Vorderpfoten auf meinem Hals und deinem Kopf auf meiner Schulter, schnurrend und später schnarchend, warm zugedeckt und mit einer dich kraulenden Hand.
Nach der Untersuchung beim Tierarzt und einem Gespräch über deinen Zustand und deine Aussichten entschloss ich mich, dich in Ruhe und ohne Leid, wie ich hoffe, friedlich gehen zu lassen. Du hast am 29.06.2016 das Leben hinter dir gelassen – auf weichen Handtüchern von zu Hause liegend, begleitet von meinen streichelnden Händen, meinen Küssen und meiner ruhigen Stimme, die dir (hin und wieder von Schniefen und Schluchzern begleitet) immer wieder sagte, wie sehr ich dich liebe, was für ein toller und schöner Junge du bist und dass alles gut wird.
Nachdem du über die Regenbogenbrücke gegangen warst, habe ich dich noch ein letztes Mal gebürstet und dich schön gemacht, wie ich es damals auch bei Rambo getan hatte. Als dein Gefährte den letzten Weg vor dir gegangen war, hatte ich ihn noch einmal mit nach Hause genommen, damit du Abschied nehmen konntest. Nach kurzem Beschnuppern bist du zur Tagesordnung übergegangen. Draußen lockten Sonnenschein, Vogelgezwitscher und deine Schwitzhütte, in der du auch bei großer Hitze so gern geschlafen und gedöst hast. Ich war zwar unendlich traurig über Rambos Tod, aber auch erleichtert, dass du deine wieder veränderte Lebenssituation so gut aufgenommen hattest. Über die nun ungeteilte Aufmerksamkeit hast du dich gefreut.
Ich danke dir, mein Schnupfnäschen, und Rambo zutiefst dafür, dass ihr euch mit eurem freundlichen und aufgeschlossenen Verhalten mir gegenüber dafür entschieden hattet, dass ich euch ein neues Zuhause, das den Namen verdient, geben durfte. Es war mir eine Freude, euch bis an euer Lebensende zu begleiten und euch ein warmes, sicheres Heim zu bieten, in dem ihr sehr geliebt und – ich gebe es gern zu – gnadenlos verwöhnt wurdet. Das habt ihr gespürt, denn im Laufe der Zeit wurdet ihr immer entspannter und neugieriger. Als ihr für ein paar Tage bei meinen Eltern wart, berichteten sie mir, dass ihr beide die erste Nacht in deren Bett verbracht hattet und ihnen gegenüber sehr zutraulich wart.
Es war wunderschön, mein Leben mit euch zu teilen und an eurem teilzuhaben. Du und Rambo habt mir so viel zurückgegeben, dass es schlaflose Nächte, zerkratzte Tapeten, Haare überall, vollgespuckte und –genieste Möbel und anderes millionenfach aufwiegt. Deine „Tante Sandy“ hat mit mir geweint, als sie von deinem Tod erfuhr, wie damals auch bei Rambo. Die Tränen kommen immer wieder, aber ich versuche, die wunderschönen Momente mit dir am lebendigsten in Erinnerung zu behalten – stundenlanges Bürsten, mal sanft, mal kräftig, wie du es gerade lieber wolltest, Kraulen, bis mir beinahe der Arm lahm wurde, wildes Spielen mit deinem Baumwollband und deiner Federangel, und ganz nah aneinander gekuschelt einschlafen und aufwachen.
Ich vermisse dich, mein Schatz, und auch Rambo, sehr, und ich hoffe, dass wir uns eines Tages wiedersehen. Bis dahin genieß deine Zeit hinter der Regenbogenbrücke. In meinem Herzen habt ihr für immer einen ganz besonderen Platz!
Danke an Tanja R., die Rambo und seinem Weggefährten Don Carlo eine tolle Dauerpflegestelle gewesen ist und die beiden Jungs bis zuletzt begleitet hat.